Gute Luise
Gute Luise
Westlichster Punkt des Naturparks Altmühltal. Landkreismitte. Dorfmitte. Stammmitte. Herzmitte. Mit diesen Schlagbegriffen sind Standort und Erlebnis mit einem bestimmten Birnbaum beschrieben. Der steht in Heroldingen und ist wohl älter als seine betagtesten Einwohner. Mitten im unteren Stammbereich klafft seit mindestens 1970 eine breite Frostwunde, aus der das graue Holz an der Nordostseite hervorschaut.
Die Birnen sind köstlich. Als Pomologe Hans-Thomas Bosch bei zahlreichen Obstbäumen im Landkreis Sorten ermittelte, stellte sich heraus, dass es sich um einen von zumindest fünf Birnbäumen der Sorte „Gute Luise von Avranches“ handelt. Es gab wohl schon um 1667 eine „Gute Luise“, doch diese war eine klassische Winterbirne, im Gegensatz zur an dieser Stelle zu beschreibenden Herbstbirne, die auch andere Namen hat und 1778 von einem Monsieur de Longueval in Avranches aus Samen gezogen und nach seiner Frau benannt wurde. So kann man also auch seine Liebe bezeugen, ähnlich wie das erwähnte Paar in Heroldingen mit dem dekorativen Herzen.
Besagter Birnbaum steht direkt an einer Mauer, an der einige Meter unterhalb die Wörnitzstraße vorbeiführt. Die Pfahlwurzel gräbt sich senkrecht in den Boden, der hier die nötige Güte aufweist.
Kaum zu glauben, dass die sehr gute Tafel-, Nasskonserven- und Dörrbirne selbst grasgrün im Oktober sowohl am Zweig als auch als Fallobst einen solch erlesenen Geschmack aufweist. Der Baum liebt den eher warmen Standort und belohnt dies mit meist hohem, regelmäßigem Ertrag. Die gute Befruchtersorte befindet sich bei Bienenflug in einer idealen Win-win-Situation mit anderen Birnbäumen in unmittelbarer Nachbarschaft. Nach einem Abbruch der Spitze vor vielen Jahrzehnten bildete sich allmählich wieder ein sortentypisch betonter neuer Hauptast gerade nach oben.
Auf möglichst kalkarmen, nahrhaften Böden ist die für Haushaltszwecke geeignete Birne sehr zu empfehlen.
Im März 2020 ist in Heroldingen ein Jungbaum der Guten Luise innerhalb des Heroldinger Streuobstwiesenbestands gepflanzt worden. Hintergrund war eine Spende mehrerer Jungbäume durch eine der Stadtratsfraktionen. 2023 zogen die Harburger Obstbaumfreunde nach und sorgten durch eine Februarpflanzung am Rennerspitz ebenfalls u.a. für den Erhalt dieser Sorte im Stadtgebiet.
Steckbrief:
Baum: mittelstark bis stark wachsend, alle Erziehungsformen möglich, Holz frostempfindlich, breit anbaufähig
Blüte: mittelfrüh, kurz anhaltend, guter Pollenspender
Schale: glatt, schmutzig grün bis gelb, Deckfarbe verwaschen rötlich braun mit gut sichtbaren Schalenpunkten
Frucht: meist mittelgroß, gelblich-weißes Fruchtfleisch, saftreich, süß, schmelzend, feinwürzige Säure
Pflückreife: ab Mitte September
Genussreife: Oktober
Haltbarkeit: Oktober
Ralf Hermann Melber ist Mitglied im Deutschen Pomologenverein und Obstbaumpfleger.
Ralf Hermann Melber, 5. September 2023