Unweit des Wellwart-Felsens und der Straße von Harburg nach Brünsee befindet sich die Kläranlage der Stadt. Daneben stehen einige Obstbäume, von denen einer als „Wettringer Taubenapfel“ bestimmt werden konnte.
Wettringen? Richtig, diesen Ortsnamen liest man an einer Ausfahrt an der A7 unweit von Rothenburg ob der Tauber.
Ende des 19. Jahrhunderts fand irgendjemand diesen Vertreter der historischen Taubenäpfelgruppe. Ab 1930 ist von einer stärkeren Verbreitung die Rede. Diese ist im Landkreis Donau-Ries ungebrochen: Auf Ausgleichsflächen (z.B. bei Spielberg) und an Straßenrändern sind problemlos Bäume dieser Art mit typischen roten, kegelförmigen Früchten zu finden.
Warum ist dieser selbst als Halbstamm wüchsige Baum auch in einem Hausgarten in Lierheim zu finden?
Ein Grund könnte darin bestehen, dass Apfelbäume mit Abstand an erster Stelle bei der Auswahl einer Baumpflanzung im eigenen Garten in Frage kommen. Die Umfrage eines weltberühmten Motorsägenherstellers kam 2021 zu diesem Ergebnis. Es heißt dort auch, dass in 63 Prozent deutscher Gärten mit Baumbestand mindestens ein Apfelbaum steht.
Die Regionalsorte aus Franken verdient sicher vermehrt Aufmerksamkeit – nicht nur, weil sie nahe der Romantischen Straße entstanden ist. Ein robuster Baum mit später Blüte und kräftigem Wuchs ist prädestiniert für den Anbau auf regionalen Streuobstwiesen. Diese Apfelbäume kommen auffallend früh in den Ertrag und sind nicht „alternierend“, d.h. sie haben Kraft, grundsätzlich auch im Folgejahr zu blühen und bei entsprechender Bestäubung Früchte zu bilden. Bäume, die nicht nur alle zwei Jahre blühen, werden natürlich von Bienen, Hummeln usw. umso mehr begrüßt. Wenn sie dann im Alter auch einmal Astlöcher oder löchriges Totholz aufweisen, wird achtsame Baumpflege ihren Beitrag zum Tierartenschutz liefern – nicht nur, weil der Gesetzgeber dahinter ist.
Weil das Holz des Wettringer Taubenapfelbaums auch noch frosthart ist, dürfte selbst in scheinbar ungünstigen Lagen um Harburg herum einem breiten Anbau nichts im Weg stehen.
Steckbrief:
Baum: starkwüchsig, Krone hochgehend, später hängend und ausladend, Holz frosthart
Blüte: spät, frosthart, Pollenspender
Schale: Deckfarbe dunkelrosa verwaschen, wachsig, bläulich bereift
Frucht: mittelgroß, langer Stiel, Fleisch weißgrünlich, mäßig saftig, schwach süßsäuerlich (Tafel- und Wirtschaftsapfel)
Pflückreife: September
Genussreife: September
Haltbarkeit: Dezember
Ralf Hermann Melber ist Mitglied im Deutschen Pomologenverein und Obstbaumpfleger.
Ralf Hermann Melber, 6. November 2022