Gräfin von Paris

16. Jan 2023

Gräfin von Paris

Birnen enthalten ebenso wie Äpfel Flavonoide. Ihr gelber Farbstoff gab diesen sekundären Pflanzenstoffen aus dem lateinischen Wort „flavus“ ihren Namen. Dabei handelt es sich um eine Untergruppe der wertvollen Polyphenole. Flavonoide senken das Risiko für bestimmte Krebs- und Herz-Kreislauf-Krankheiten. Sie wirken antioxidativ, blutdrucksenkend, antibiotisch und entzündungshemmend. Sie beeinflussen das Immunsystem und haben durch ihre neurologischen Wirkungen einen positiven Einfluss auf kognitive Fähigkeiten. Wir müssen somit nicht immer in die Ferne schweifen, wenn das Gute so nah ist.
Unter den alten Birnbäumen in Donau-Ries dürfte die „Gräfin von Paris“ als häufigste Sorte vorkommen. Ein William Fourcine züchtete sie eins im französischen Dreux und widmete sie der Comtesse de Paris. Viele gute Birnensorten verdanken wir gerade den Franzosen, doch hat der Anbau von Birnen in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg zugunsten der Importe aus dem Süden stark abgenommen. Dabei hatte der preußische Gartenkünstler Peter Joseph Lenné im 19. Jahrhundert um die 480 Birnensorten allein in Potsdam kultiviert. Birnen geraten bei uns sehr gut – auch die Gräfin von Paris, deren Qualität in kälteren oder nassen Lagen leidet und dort von einem Buchautor geschmacklich gar einmal als „bessere Rübe“ bezeichnet wurde. In unseren Breiten ist die haltbare Tafel-, Kompott- und Saftbirne aber recht gut angekommen. Erntet man sie so spät wie möglich – was je nach Jahr Ende Oktober sein kann – ist der beste Genuss sicher. Damit Herbststürme nicht über Nacht Fallobst produzieren, sollte rechtzeitig geprüft werden, ob der Stiel sich bereits leicht vom Zweig löst, um dann sogleich – beginnend auf der Sonnenseite – zu ernten. Sonnige Jahre bescheren einen feinen Geschmack. Der Baum selber ist ein guter Pollenspender, weshalb Birnbäume, die diese Eigenschaft nicht besitzen, in der Nähe eines solchen stehen sollten. Früher Ertragseintritt, hohe Ernteerträge und wenig Schorfanfälligkeit sind weitere Merkmale der „Gräfin“. Birnbäume entwickeln tatsächlich eine birnförmige Kronenform, weshalb der Mitteltrieb mit der Spitze ruhig in diesem Verhältnis zu den seitlichen Leitästen stehen sollte.
Auf städtischen Streuobstflächen ist die Sorte wie folgt nachgewiesen: Unter den ersten Bäumen, die die Obstbaumfreunde Harburg im Herbst 2022 pflanzten, wurde ein Exemplar dieser Sorte auserkoren und am Rennerspitz oberhalb des unteren Burgparkplatzes gepflanzt. Ein stattlicher Altbaum, der vor der Flurbereinigung noch einem Heroldinger Wirt gehörte, steht bei Heroldingen in Richtung Markhof. Ein weitere „Grafin von Paris“ im Heroldinger Ried wurde aufgrund der Hochzeit eines Ehepaars in Spanien von einer örtlichen Familie gespendet.

Steckbrief:
Baum: mittelstarker Wuchs, breite Pyramidenform, eher wenig Verzweigungen
Schale: grau-, später gelbgrün, sortentypische, braune Rostkappe im Kelchbereich
Blüte: früh bis mittelfrüh, guter Pollenspender
Frucht: mittelgroß bis groß, bei guter Baumlage und Jahreswitterung saftig schmelzend mit leicht würziger Säure
Pflückreife: Oktober (spät ernten)
Genussreife: ab Dezember
Haltbarkeit: mindestens Februar

Ralf Hermann Melber, 19. Februar 2023