Jakob Fischer

10. Feb. 2025

Es war einmal ein Bauer – mehr ein Gärtner und Baumwart – der am Waldrand von Rottum, Kreis Biberach in Oberschwaben, einen wild aufgegangenen Apfelbaum fand und ihn auf sein Grundstück pflanzte. Das war 1903, als im Ries gerade die Bahnstrecke von Nördlingen nach Wemding fertiggestellt wurde. Erste Früchte trug der Jungbaum 1912. Eine Baumschule soll dabei gemerkt haben, dass es sich um eine besonders Sorte handelte. Tafelapfelqualität auf unveredelten Sämlingen ist sehr selten. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 benannte der Gärtnereiverband im damaligen Königreich Württemberg die Sorte nach ihrem Finder – Jakob Fischer. Der zog zwar 1928 aus Rottum weg, doch der Nachbesitzer hielt den Baum sehr in Ehren, bis dieser nach ca. 117 Jahren abstarb. Der Reststamm wurde vergangenen Februar gefällt und einem Künstler zur Erstellung einer Skulptur überlassen.
Bis das Dorf Rottum richtig merkte, was es mit seinem Jakob-Fischer-Urbaum auf sich hatte, war der Apfel durch zahllose Veredelungen bald schon deutschlandweit verbreitet. Der „Schöne vom Oberland“, wie er auch heißt, war ab 1920 auf Obstausstellungen zu sehen und erhielt erste Preise. In den Landkreisfluren zählt die Sorte zu den allerhäufigsten. In Heroldingen pflanzte die Gemeinde oberhalb des Quellgebiets im Ried in den 1950er Jahren u.a. überdurchschnittlich viele Jakob-Fischer-Hochstammbäume.
Weil die Äpfel nur wenige Wochen haltbar sind, gelangte die Sorte nicht in den Erwerbsobstanbau. Will jemand einen Baum des hervorragenden Tafel- und Küchenapfels in seinen Garten setzen, braucht es den nötigen Platz. Weil die Früchte groß und schwer werden, kommt es mit zunehmendem Alter zu einem hängenden Wuchs der seitlichen Äste. Unter solch schützendem „Vorhang“ eines noch heute stehenden Baums ruhte sich der letzte Dorfflur von Schrattenhofen einst von seiner Feldarbeit aus und entzündete mit gerade diesem Jakob Fischer die Leidenschaft für Äpfel und Birnen im Herzen des Autors dieser Artikel.

Steckbrief:
Baum: stark wachsend, gerader, gesunder Wuchs, große Krone (ab und zu auslichten), Holz widersteht Frost
Blüte: früh, lang anhaltend, etwas frostempfindlich, schlechter Pollenspender
Schale: Grundfarbe hellgelb, Sonnenseite leuchtend rot bis blauviolett – ansprechende Optik, bei Lagerung zunehmend „wachsig“
Frucht: Form unregelmäßig, groß bis sehr groß, saftig, aromatisch säuerlich
Pflückreife: ca. Anfang September
Genussreife: ab Erntezeitpunkt
Haltbarkeit: etwa vier Wochen

Ralf Hermann Melber, 8. Februar 2025