Heroldingen hat einen hohen Streuobstwiesenbestand. In Spielplatznähe befinden sich einige der viel zu wenigen Bäume des Berner Rosenapfels. 1865 ist dieser Schatz erstmals als Sämling in Oppligen (Schweiz) aufgegangen und durch ständige Vermehrung ab 1888 auch in Deutschland verbreitet. Aus alten Apfelsorten sind wichtige sekundäre Pflanzenstoffe nicht herausgezüchtet. Es geht um Polyphenole. Die Braunfärbung des Fruchtfleisches, die sie verursachen, war der Lebensmittelindustrie ein Dorn im Auge. Also züchtete man aus den meisten neueren Sorten die Polyphenole weitgehend heraus und zahlt bis heute einen hohen Preis auf Kosten blutzuckersenkender und antimikrobieller Eigenschaften (Entzündungshemmung, Krebsvorbeugung, Hemmung von Prostatahyperplasie, Plaqueverminderung sowie bakterizide, blutdrucksenkende und verdauungsfördernde Wirkung). Zwar verursachen sie einen eher säuerlichen Geschmack, doch neutralisieren Polyphenole potenziell allergieauslösende Inhaltsstoffe in Äpfeln. Es gibt um die drei Millionen Apfelallergiker allein in Deutschland. Hamburg ist an und für sich durch seine Nähe zum „Alten Land“ reich mit alten Apfelsorten versorgt. Doch mussten vor wenigen Jahren erst Apfelproben aus unserer Heimat dorthin gesendet werden, bis ein Pressevertreter glücklich zurückschrieb: „Meine Tochter verträgt den Berner Rosenapfel!“ Dies dürfte für all jene gelten, die nicht hochkomplizierte Kreuzallergien haben. In solchen Fällen wäre ein Versuch sinnvollerweise ärztlich zu begleiten. Professor Carle von der Universität Hohenheim weist in dem äußerst empfehlenswerten NDR-Film „Unser Apfel: Masse statt Klasse?“ auf den hohen Nutzen der Polyphenole hin. Man brauche nicht aufwändig zu forschen, um solche Früchte zu bekommen: „Es gibt sie, sie müssen nur wieder genutzt, gepflegt und angebaut werden, dann stehen sie uns jederzeit zur Verfügung.“
Die Bäume des Berner Rosenapfels widerstehen Holz- und Blütenfrost gut und windgeschützte Lagen reduzieren die Schorfanfälligkeit. Geschmacklich erinnert der Apfel an Himbeeren. Er ist sehr gut zum Essen bzw. als Saft und Mus geeignet.
Schon die Farbe dieser Schweizer Sorte verrät die anthocyanreiche Wirkung als natürliches Antibiotikum.
Steckbrief:
Baum: hochkugelig, Leitästebildung erfordert Schnittkenntnisse
Schale: Grundfarbe grünlich gelb, Deckfarbe verwaschen dunkelkarminrot, lila bereift
Frucht: mittelgroß, Fleisch grünlich weiß, in Schalennähe oft rötlich, sehr saftig, eher süß mit erfrischender Säure
Blüte: frostwiderstandsfähig, guter Pollenspender
Pflückreife: ab Ende September
Genussreife: spätestens November
Haltbarkeit: bis ca. Februar
Ralf Hermann Melber ist Mitglied im Deutschen Pomologenverein und Obstbaumpfleger.
Ralf Hermann Melber, 26. Juni 2022