Ontario

14. Jan 2023

„O, du schöner Westerwald, über deine Höhen pfeift der Wind so kalt“, heißt es im Volkslied. Der Verfasser kennt diese Gegend wegen Baumpflegetätigkeiten sehr gut, weiß aber auch: Auf der Wetterseite der Stadelhofsiedlung am Harburger Bock kann es genauso ziehen, sodass im Winter oft ein eisiger Wind die notwendigen Schnittarbeiten begleitet. Einigermaßen geschützt von anderen, immergrünen Bäumen halten sich dort mehrere Obstbäume wacker, u.a. ein Apfelbaum der Sorte „Ontario“ von für diese Sorte ansehnlicher Größe. Üblicherweise wächst er nämlich eher schwächer, was ihn für Hausgärten attraktiv macht.
In verschiedenen Quellen wird die Kreuzung aus den Elternsorten „Wagenerapfel“ und „Northern Spy“ auf 1820, woanders auf 1874, datiert. Übereinstimmend ist aber der Entstehungsort: Paris in Ontario County, New York, USA. Über Frankreich gelangte die Sorte 1882 auf den europäischen Kontinent.
Der Ontario lässt sich heute noch hier und da überall im Landkreis finden. Geschützte Lagen sind wegen der nachteiligen Frostempfindlichkeit des Holzes zu empfehlen, will man nicht lieber Ontario-Reiser auf robustere Stämme veredeln. Ein Hoppinger Baum genießt z.B. vorteilhaften Schutz zwischen zwei Gebäuden.
Die Blüte ist sehr frosthart, d.h. der Ontario trägt mit seiner ohnehin hohen Fruchtbarkeit oft zuverlässiger als viele andere Apfelsorten. Im Vitamin-C-Gehalt liegt er vorne und ist mit eher geringem Zuckergehalt ein Diabetikertipp. Die lange Haltbarkeit des frischsäuerlichen Apfels ist ein weiterer Grund, warum der Ontario im Jahr 1922 neben dem Jakob Lebel und dem Rheinischen Bohnapfel zur Reichsapfelsorte ernannt wurde.
Wegen der Krebsanfälligkeit sind gut strukturierte Böden vorteilhaft.
Im Umfeld von Streuobstwiesen ist wohl mit der besten Fruchtqualität zu rechnen, weil dort selbst in ungünstigen Jahren die eine oder andere Pollenspendersorte stehen dürfte. Fehlt sie, ist trotz Bienenflugs mit schlecht ausgebildeten Kernen, Kalziummangel und faulenden Früchten am Baum zu rechnen. Diesem Naturgesetz sind laut Universität Freiburg alle Apfelsorten unterworfen. Kluger Sortenmix macht es also aus.

Steckbrief:
Baum: schwacher bis mittelstarker Wuchs; breite, kleinkugelige Krone; Ertrag mittelhoch und alternierend; frostempfindliches Holz (Stammweißanstrich!)
Blüte: mittelspät, lang, witterungsunempfindlich, äußerst forsthart, Pollenspender
Schale: grünlich gelb, Sonnenseite braun bis braunviolett verwaschen
Frucht: groß, unregelmäßige, abgeflachte Form, meist kantig
Pflückreife: Ende Oktober
Genussreife: Dezember
Haltbarkeit: Mai

Ralf Hermann Melber, 6. März 2024